Erläuterungen zum Entwurf für den St.-Norbert-Platz

Gestaltung des St.-Norbert-Platzes, Friedland

Erläuterungen zum Entwurf

Gegenwärtige Situation

Friedland im Landkreis Göttingen ist durch das Grenzdurchgangslager bundesweit bekannt. Hier, wo einst die Heimkehrer erste Orientierung in der neuen Bundesrepublik Deutschland erhielten, befindet sich die erste Station in der Einbürgerung vor allem von Rußlanddeutschen. Dieser Prozess steht heute kurz vor seinem Ende. Die aktuelle Debatte über die Einwanderungspolitik lässt erwarten, dass der Einwandererstrom in kürzerer Zeit stark abnehmen wird. Die Tage des Lagers Friedland sind somit gezählt. Dies wird auf die Situation in der Gemeinde spürbare Konsequenzen haben: zahlreiche Arbeitsplätze werden verloren gehen, ein umfangreicher Flächen- und Gebäudekomplex muss einer neuen Nutzung zugeführt werden.
Unweit des Lagers Friedland befindet sich die katholische Kirche St. Norbert. Auch sie ist ein Nachkriegsbau. Die riesige Statue eines Heimkehrers an ihrer Ostseite weist unmissverständlich auf die Zusammenhänge hin. Über einen Durchgang unter dem Kirchturm gelangt man auf den St. Norbert-Platz im Westen und Süden der Kirche. Hier verkehrt täglich ein breiter Strom von Neuankömmlingen in der Bundesrepublik, denn dieser Platz stellt eine wichtige Verbindung zwischen Institutionen des Lagers und der übrigen Infrastruktur Friedlands dar.
Aufenthaltsqualität gibt es jedoch nicht auf diesem Platz. Er ist zu großen Teilen aspaltiert und wird daher bevorzugt als Abstellplatz für Fahrzeuge genutzt. Sein südlicher Teil ist eine weit gehend ungegliederte Rasenfläche, mit einer Hecke vom übrigen Platz abgetrennt. Die Bereiche nördlich der Kirche stellen ebenfalls Rasenflächen dar, die jedoch keinerlei verbindenden Funktion unterworfen sind und entsprechend selten genutzt werden. Auf der Ostseite der Kirche befindet sich das genannte Heimkehrerdenkmal, umgeben von einer Rasenfläche mit einigen Gehölzen.
Unbefriedigend ist vor allem die uferlos asphaltierte und geschotterte Platzsituation westlich der Kirche. Sie ist nicht nur baulich in einem absolut desolaten Zutand, sondern bietet neben der Möglichkeit, dort zu fahren und zu parken, auch keinerlei Anregung zum Verweilen. So ist es nicht verwunderlich, dass die zahlreichen Besucher dieses Platzes ihn mit schnellen Schritten überqueren, ohne die Situation in irgendeiner Weise zur Kenntnis zu nehmen.
Eine Neugestaltung dieses Platzes ist aus mehreren Gründen zwingend erforderlich: die Oberflächenbeschaffenheit und Entwässerung des Platzes ist überaus desolat, der Versiegelungsgrad ist viel zu hoch, die Aufenthaltqualität ist minimal bzw. nicht vorhanden, die Situation ist baulich und gestalterisch ungeordnet.
Vor allem aber stellt der St. Norbert-Platz eine zentrale Stelle im östlichen Orts-teil von Friedland dar, der durch das Lager geprägt wurde und diesen Einfluss demnächst größtenteils verlieren wird.

Überlegungen zur Neugestaltung
Die Überlegungen für eine Neugestaltung müssen sich mit der in Kürze veränderten Situation in Friedland auseinandersetzen. Wird das Lager aufgelöst, fällt der heute noch starke Besucheranstrom weit gehend weg. Eine Bebauung des Platzes in unmittelbarer Kirchennähe ist sicherlich nicht geeignet, die Situation zu verbessern und den Raum eindeutiger zu gestalten, wenngleich gewisse Möglichkeiten für die Errichtung kirchlicher oder sozialer Einrichtungen auf Teilen des Platzes durchaus bestehen und mit einer neuen Freiraumsituation in Einklang zu bringen sind.
Die grundsätzlichen Fragestellungen sind demnach folgende:

  • Soll der Platz weiterhin überwiegend versiegelt sein?
  • Welche Rolle sollen Kraftfahrzeuge auf dem St. Norbert-Platz spielen?
  • Wo soll die Errichtung von Gebäuden bevorzugt möglich sein?

Die Beantwortung der ersten und zweiten Frage hängt in gewisser Weise zusammen. Allerdings werden befestigte Flächen nicht ausschließlich von Fahrzeugen bestimmt. Auch Zusammenkünfte von Menschen, wie beispielsweise Gottesdienste im Freien, erfordern hierfür geeignete Flächen. Allerdings sollten diese auch ei-nen Rahmen vorgeben. Dies ist beim heutigen St. Norbert-Platz nicht der Fall.
Die Beantwortung der zweiten Frage ist in dem Zusammenhang zu sehen, dass der St. Norbert-Platz bereits heute nicht die einzige Fläche darstellt, auf der das Parken von Kraftfahrzeugen möglich ist. Auch im Bereich der Heimkehrerstraße und der Norbertstraße kann geparkt werden. Parkplätze auf dem St. Norbert-Platz sollten daher ausschließlich der Kirche bzw. kirchlichen Einrichtungen die-nen. Ein Fahren über den St. Norbert-Platz kann auf eine Zufahrt zur Kirche selbst beschränkt werden, wenn für die östlich angrenzenden Garagen eine Zufahrt zur Norbertstraße erschlossen wird.
Die dritte Frage ist zunächst prinzipieller Art. Die Flächengröße des Platzes lässt eine Bebauung ohne weiteres zu, diese würde jedoch viele Freiraumfunktionen zunichte machen und hätte darüber hinaus einen weiteren Parkplatzbedarf zur Folge. Ferner ist aus städtebaulicher Sicht Sorge zu tragen, dass die Bebauung nicht in Konkurrenz zur Kirche tritt, sondern dieser einen angemessenen Freiraum lässt. Die Fragestellung, welche Gebäudenutzung hier überhaupt möglich wäre, engt bei einer vernünftigen Betrachtungsweise den Raum auf kirchliche und soziale Einrichtungen ein. Es erscheint somit sinnvoll, gegebenenfalls westlich der Kirche einen Schwerpunkt für derartige Entwicklungen zu setzen, wobei der Raum zwischen dem Pfarrhaus und der Verlängerung der westlichen Kirchenflucht bevorzugt in Frage kommt.

Erläuterung des Planungsentwurfes
Der dargestellte Entwurf trägt diesen Überlegungen Rechnung. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass bislang noch keinerlei Abstimmungen zwischen den Beteiligten erfolgt sind. Es war unsere Absicht, aus der Sicht des weitgehend unbeteiligten Planers unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen eine Vision zu schaffen, um diese als konkreten Anhaltspunkt einer zu entwickelnden Diskussion vorzulegen.
Der Entwurf schlägt im Wesentlichen die Lösung einer großzügig gestalteten innerörtlichen Grünfläche vor. Er sieht nicht die Notwendigkeit einer umfassend befestigten Fläche, sondern bietet für Versammlungen einen Bereich westlich der Kirche an, dessen Größe jener des Kirchengebäudes annähernd entspricht. Dieser Bereich erhält seine räumliche Abgrenzung durch Bäume, die ihn einfassen und zu späterer Zeit auch einen guten Teil des Platzes überdachen und beschatten wer-den.
Um ihm den Charakter eines ?Aufmarschplatzes? zu nehmen und seine Funktionsvielfalt zu erhöhen, wurde der Vorschlag einer höhenmäßigen Staffelung in die Planung eingearbeitet. Sitzstufen, im Quadrat um ein tiefer gelegenes zentrales Element angeordnet, gliedern und konzentrieren zugleich die Situation, ohne ihre Großzügigkeit zu unterbrechen, da der zentrale Bereich abgesenkt ist.
Der Westausgang der Kirche wird durch ein Halbrund betont. Hier sollte aus-schließlich Naturstein verwendet werden, wobei auf eine kontrastreiche Gestaltung Wert gelegt werden sollte (dunkle konzentrische Ringe als Läuferreihen neben hellen Nartursteinplatten). Es bietet genügend Fläche zum Aufstellen bei-spielsweise von Hochzeitsgesellschaften und dergleichen. Dieses Halbrund stellt den, direkt zum Gebäude zugehörigen Platz dar, der zusätzlich durch zwei Großgehölze gegliedert ist, die die Ecken der Eingangsfassade betonen.
Den westlichen Abschluss des Versammlungsbereiches der Kirche bietet ebenfalls ein großzügiges Halbrund, welches um eine Skulptur (die vorhandene Madonnen-Skulptur im Norden wäre hier geeignet) angeordnet ist. Diese Fläche muss nicht im Zusammenhang befestigt sein. Im Entwurf wird das Halbrund als breiter Pflasterweg mit einer Kombination aus Natur- und Betonstein dargestellt, die inneren Bereiche sind als Rasenflächen angelegt, die von zentrisch verlaufenden kleinen Wegen unterbrochen werden. Der zentrale Bereich um die Skulptur ist selbstverständlich befestigt und Bänke zum Verweilen laden zum stillen Gebet oder einfach nur zum Ausruhen ein. Weiter könnten diese Rasenflächen mit zwei Formgehölzen versehen werden, die auf die illuminierte Madonnen-Skulptur hinweisen.
Die notwendigen Parkplätze werden an den Rand der Fläche gelegt und durch eine durchgehende Hecke von der Platzfläche getrennt. Diese bilden den Abschluss zur Norbertstraße. Diese Anordnung ist sinnvoll, weil sie zusätzliche Fahrwege vermeidet.
Die Parkplätze erhalten durch die vorhandenen Bäume eine Beschattung, die vor allem im Sommer begrüßt werden wird.
Südlich der Kirche ist eine in sich geschlossene Grünanlage in Form eines "Renais-sancegartens" angedacht. Diese Bezeichnung soll vor allem die geometrische Anordnung der Flächen zum Ausdruck bringen. Vor dem Pfarrhaus ist eine großzügige Terrasse angelegt, die etwas erhaben, einen schönen Einblick in die Gartengestaltung gewährleistet. Sofern hier ein Gebäude errichtet werden soll, reduziert sich die Grünanlage auf den Freiraum zwischen diesem und dem Pfarrhaus. Der etwas private Charakter, den diese Anlage auch ohne ein solches Gebäude besitzen wird, würde dann in Form eines Innenhofes verstärkt werden - eine gute Vision für ein Gemeindezentrum.
Der bestehende Weg zwischen der Heimkehrer- und der Norbertstaße wird auch weiterhin eine übergeordnete Funktion erhalten. Seine Führung wird leicht verschwenkt, um den linearen Charakter etwas zu unterbrechen. Der Auflockerung dient zudem eine berankte Pergola, die den Weg südlich der Kirche begleitet. Mit einer Breite von drei Metern ist dieser Weg zwischen der Norbertstraße und dem Kirchenportal ohne Weiteres befahrbar; dieses sollte jedoch die Ausnahme blei-ben. Begleitet wird dieser gesamte gepflasterte Weg durch eine Zierkirschen-Allee. Von diesem zweigt ein zusätzlicher Fußweg zum westlichen Teil der Norbertstraße ab. Dieser Weg wird durch Lichtpoller begleitet.
Die übrigen Bereiche des St. Norbert-Platzes werden als Rasenflächen mit kleinen verbindenden Fußwegen (wassergebunden) angelegt. Dieser Rahmen um die sehr geometrisch gestalteten Bereichen soll einen landschaftlichen Charakter vermit-teln. Damit vergrößern sich die Rasenflächen um die Kirche erheblich. Die Situati-on wird großzügig, grün und multifunktional. Denn im Gegensatz zur heutigen Si-tuation, in welcher sämtliche Rasenflächen unerschlossen sind, wird der Platz mit diesem Fußwege-System erschlossen. Hierfür ist eine wassergebundene Wegedecke nicht nur ausreichend, sondern bietet die Möglichkeit einer ansprechenden Gestaltung durch farblich auf die Pflasterflächen abgestimmte Materialien.
Ein wichtiger Punkt ist auch die angemessene Beleuchtung des Platzes. Auch hier sind im Entwurf die Ansätze zu finden: Lichtpoller, Mastleuchten und Fassadenstrahler sollen in einem aufeinander abgestimmten Lichtkonzept dafür sorgen, dass auch eine abendliche Nutzung des Platzes möglich ist.

Perspektiven

Wie angedeutet, ist dieser Entwurf ein unabgestimmter Vorschlag des Freiraumplaners. Er sollte nicht im Verborgenen bleiben, sondern möglichst kontrovers diskutiert werden. Erst eine solche Diskussion schafft die Grundlage für eine planerische Lösung, die unter Berücksichtigung möglichst vieler Gesichtspunkte im Zuge einer Abwägung optimiert werden. Die Planverfasser würden sich freuen, wenn der vorliegende Vor-Entwurf eine solche Diskussion einleiten könnte. Auch wenn heute eine Finanzierung des Umbaus nicht erkennbar ist, gilt die Weisheit: Wo ein Wille ist, finden sich auch Wege und Mittel!

 


© Schwahn Landschaftsplanung, April 2002